Der Leselenz wie das Offenburger Tagblatt ihn sieht

Geschrieben: 25. Juli 2012 | Autor: | Kategorisiert unter: Allgemein | Keine Kommentare »

(mit Genhmigung der Autorin , danke.)
Von arabisch bis alemannisch

Der Leselenz-Samstag bot unglaubliche Vielfalt der Poesie im den ganzen Tag über voll besetzten »Löwen«

Weit mehr als nur Alibifunktion für das Motto »Literatur trifft Musik«: Wie Uli Führe mit seiner Stimme und seiner Gambe Markus Manfred Jung begleitete, war eine echte Sensation des Lyriknachmittags.

»Vom poetischen Wort« hieß der Leselenz-Marathon im »Löwen L’Italiano« mit einer unglaublichen sprachlichen Vielfalt. Sieben Autoren und ein Musiker stellten am Samstag über sechs Stunden ihre Werke vor – vor für Lyrik außergewöhnlich großem Publikum.

Hausach. Als »einen der bedeutendsten Lyriker der arabischen Gegenwar« stellte der Literaturkritiker Joachim Kalka zu Beginn des samstäglichen Lyrika-Marathons »Vom
poetischern W:ort« den Ägypter Girgis Shoukry vor. »Meine Gedichte sollen aussehen wie die Menschen auf der Straße«, charakterisiert der Autor seine Poesie, die er in seiner gutturalen Muttersprache las. Die Übersetzung trug Raphael Urweider vor. Fast glaubte man, den Dichter zu verstehen, so klanglich ansprechend, gestisch und mimisch anschaulich war sein Vortrag. Von scheinbar lapidaren, alltäglichen Dingen erzählen seine Gedichte, er setzt Alltagsgegenstände als Wesen mit Seele in Szene. Und er will, so seine Utopie, »einen Staat backen und den Armen schenken«.

»Wortasyl«

Über den Gedichtband »Ausschwärmen« der Schweizer Dichterin Svenja Herrmann sagte der Schweizer Journalist Urs Heinz Aerni, er habe in ihm »Wahrnehmungsverschiebungen« verursacht: »Ich habe mich in ihren Gedichten, in ihren Assoziationen verloren.« Zum Beherrschen dieser Schwierigkeiten gab die Dichterin gleich eine »Anleitung zur Verwandlung« und ließ die Zuhörer »die Welt mit Tintenfischaugen sehen«. Ein Höhepunkt war ihr »Wortasyl«, wo sie all den in der Lyrik so verpönten Wörtern barmherzig Aufenthalt gewährt.
Die Gedichte des Berliners Joachim Zünder stehen in krassen Gegensatz zu der zerbrechlichen Poesie Svenja Herrmanns. Er beschreibt mit einer eher dunkleren Farbe
die unfassliche Wirklichkeit. Der Dichter leidet am »Jahrmarkt der Schlaflosigkeit« und ist »süchtig nach Raum, dem Kokain der Offenheit, dem weißen Pulver der in dich hineinfliehenden Städte.«

Wiederum in starkem Kontrast zu ihrem »Vor-Vorleser« stand die in Finnland lebende Dorothea Grünzweig. In geradezu ansteckend bescheidener Attitüde las sie aus ihren
Werken »Sonnenorgel« und »Die Auflösung« vom Verlust und Wiedergewinnen der eigenen Sprache. Immer wieder bricht sie aus der Syntax aus und bezeichnet das als »Poetik der Komposition durch Dekomposition«.

Poesie aus Indien

Mirko Bonné aus Hamburg stellt in seinen Gedichtbänden »Republik der Silberfische« und »Traklpark« drängende Fragen des Lebens in den Vordergrund – mit einem
Augenzwinkern, wie Christoph W. Bauer in seiner Einführung erklärte. »Seine Vielstimmigkeit aber hat er von Trakl geerbt«, stellte er fest.

Der indische Dichter Ranjit Hoskoté, nach Laudator Joachim Kalka »einer der bedeutendsten unserer Zeit«, schreibt seine Gedichte in Englisch. José Oliver übersetzte
sie ins Deutsche. »Kampfabsage« heißt seine neueste Gedichtsammlung, in der er den Fundamentalismus jeder Art den Kampf ansagt. Vielfarbige, oft fast altmodisch wirkende Landschaftsbilder und Wortverknotungen bis zur Absurdität lösen sich ab und enden mit einem Gedicht über das Ende der Lesung.

Doch diese war noch nicht vorbei – mit dem alemannischen Poet Markus Manfred Jung und dem Musiker Uli Führe wartete das »poetische W:ort« noch mit einer echten Überraschung auf – einer Entdeckungsreise durch Mundart und Musik mit einem Klangspektrum, an das das Schriftdeutsche niemals heranzureichen vermag.
José Oliver ließ sich anstecken und kündigte die weiteren Veranstaltung ebenfalls in alemannisch an: »Wenn mi jetz au net jeder verstoht, ich hab hit au net alles vestande, was i ghert hab. Aber schee wars!«


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