Herr Jung, Sie sind der designierte erste Laufenburger Burgschreiber. Was macht ein solcher?

So ganz genau weiß ich das auch noch nicht. Das ist ja für beide Seiten eine neue Erfahrung. Ich denke, ich werde am öffentlichen Leben der Doppelstadt teilnehmen, neugierig beobachtend, werde versuchen, das Besondere im Alltäglichen zu erspüren, Notizen machen und dann darüber schreiben. Welche Form die Texte suchen, weiß ich auch noch nicht. Essayistische Formen sind genauso möglich wie szenische, erzählerische oder lyrische.

Ist diese Funktion also einem Stadtschreiber ähnlich?

Ja, ich denke nur der Name „Burgschreiber zu Laufenburg“ ist da ein anderer.

Weshalb haben Sie sich als in der Region etablierter Autor auf das Stipendium beworben?

Die Ausschreibung hat mich thematisch angesprochen: „Ankommen“. Nach 35 Jahren als Lehrer bin ich ja gerade in einen neuen Lebensabschnitt aufgebrochen und habe versucht, durch eine mehrwöchige Wanderung nach Süden, durch die Schweiz bis zum Lago Mergozzo in Italien, neu anzukommen bei mir und in meinem Leben. Durch den Beruf war es mir bisher nicht möglich, mich auf ein Stipendium zu bewerben. Ich kannte aber schon die inspirierende Wirkung eines Ortswechsels beim sich Konzentrieren aufs Schreiben. Schon zweimal davor, als ich Theaterstücke für die Klausenhof-Freilichtspiele verfassen durfte, habe ich mich in den Hotzenwald zurückgezogen und nur fürs Schreiben gelebt. Laufenburg ist außerdem kulturell eine spannende Doppelgemeinde, die sich trotz Napoleons Machtwort nie hat vollständig trennen lassen. Die Altstadtbrücke mit Zollhaus trennt nicht nur politisch zwei Städte, eine in der Schweiz, eine in Deutschland, sondern verbindet auch kulturell im gemeinsamen historischen Bewusstsein zwei Teile einer Stadt. Ich hoffe, dies zum Beispiel in der gemeinsam gefeierten Fasnacht zu erleben.

Gibt es eine besondere Beziehung von Ihnen zu Laufenburg?

Literarisch gibt es da zwei wichtige Bezüge. Zum einen bekam ich den Auftrag, fürs 800-jährige Stadtjubiläum 2007 ein historisches Theaterstück zu schreiben. „D Bluetschuld vo Laufeburg“ wurde unter der Leitung von Egon Gerteis mehrfach aufgeführt. Zum anderen erlebte ich eine meiner schönsten Lesungen in der Kulturschüüre in Altlaufenburg, zusammen mit Christian Haller und der Rumänin Nora Iuga. Und nicht zuletzt verbinden mich herzliche Freundschaften über die Literatur- und Tangoszene mit dort lebenden Menschen.

Haben Sie sich als Burgschreiber schon etwas Spezielles vorgenommen?

Es gibt schon Ideen, aber ich bin auch noch ganz offen. Vielleicht gelingt es mir, an dem Text weiter zu arbeiten, der mich momentan am meisten beschäftigt. Ich versuche über die Wanderung durch die Schweiz, über dieses Aufbrechen in ein neues Ankommen, literarisch zu schreiben: eine Verbindung zwischen den alemannisch notierten Tagebucheinträgen und in Schriftdeutsch verfassten lebensphilosophischen Betrachtungen herzustellen, was mir im Vorherein spannend und leicht erschien, jetzt beim Schreiben aber seine Tücken zeigt. Außerdem habe ich mir antiquarisch Bücher von Ernst Friedrich Löhndorff besorgt, lese gerade Petra Gabriels „Die Konkubine“, vertiefe mich wieder in Gedichte von Christian Haller, werde sicher erneut das Rehmann-Museum besuchen und anderen Anregungen nachgehen, die ich inzwischen von Laufenburgern und Menschen der Region erhalte.

Gab es eine thematische Vorgabe, sich mit Laufenburger Themen oder der Geschichte der beiden Städte auseinanderzusetzen oder lässt man Ihnen freie Hand?

Natürlich erwartet man schon, dass Laufenburg im Fokus steht genau wie auch das Thema „Ankommen“. Aber konkrete Vorgaben dazu gibt es keine.

Was haben Sie als Schriftsteller gerade in der Mache?

Im Moment ist außerdem ein Band mit alemannischen und hochdeutschen Gedichten eigentlich fertig. Es geht aber noch um die Erscheinungsform, da meine Frau, die Künstlerin Bettina Bohn, und ich wieder ein bibliophiles Kunstwerk wie „Schluchten von Licht“ aus Bild und Text schaffen möchten.

Kann man Sie in Ihrer temporären Schreibklause in Laufenburg besuchen?

Ich werde privat untergebracht sein. Zuerst sechs Wochen im Schweizer Teil der Doppelstadt und dann dieselbe Zeitspanne im deutschen. Ob man mich da besuchen kann, weiß ich noch nicht. Aber man kann sicher Kontakt mit mir aufnehmen per Mail. Und schöne Beizen und Wirtshäuser, wo man sich dann treffen könnte, gibt es in Laufenburg ja einige.

Sind während Ihrer Burgschreiber-Zeit Lesungen, Gespräche oder öffentliche Veranstaltungen geplant?

Ja. Ich werde sicher in Schulen sein zu Schreib-Werkstätten und Lesungen mit Schülerinnen und Schülern. Es wird eine Auftaktveranstaltung am 8. März geben und sicher auch eine Abschlusslesung.

Das Burgschreiber-Stipendium ist ja eine „Auszeit“ vom Alltag und anderer Beschäftigung. Freuen Sie sich darauf?

Jo, i bi richtig wunderfitzig un ha e chaibe Vorfreud.

Fragen: Jürgen Scharf

Kulturstipendium: Alle zwei Jahre soll dieses neue Kulturstipendium beider Laufenburg vergeben werden. Die beiden Städte teilen sich auch das Aufenthaltssalär des Burgschreibers mit 850 Euro pro Monat für die drei Monate vom 1. März bis Ende Mai. Der erste Burgschreiber ist der renommierte Literat Markus Manfred Jung aus dem Kleinen Wiesental.

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Text mit Genehmigung von Jürgen Scharf, danke.